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Sonntag, Juni 18, 2006

Erinnerungen für die Ewigkeit

Es gibt Momente im Leben, davon wird man seinen Enkelkindern noch voller Leidenschaft erzählen. Der 17. Juni 2006 zählt wohl für mich zu so einer Erfahrung. Mein Vater und ich waren zwei der 45000 Auserwählten, die tatsächlich, und wir für unseren Teil auch auf einem absolut legalen und offiziellem Weg, ein Ticket für die WM 2006 ergattert hatten. Tschechien gegen Ghana in Köln – wir wurden Zeuge der ersten großen Überraschung bei dieser WM.
Es lässt sich schwer in Worte fassen, was dort im RheinEnergieStadion und bereits Stunden vorher in ganz Köln abgelaufen ist. Eine unglaubliche Atmosphäre, eine Stimmung, die einen einfach nur fasziniert. Schon vom Parkplatz weg, auf dem knapp 1 km langen Fußweg zu Stadion, schlenderten wir zusammen mit Tschechischen, Ghanaischen und natürlich auch zahlreichen Deutschen Fans durch die Kölner Gassen. Dabei spürte man bereits dieses extrem friedliche Miteinander. Keine Spur von Rivalität oder gar Hass, wie man es leider so oft bei Bundesliga-Spielen mitbekommt. Statt Pöbeleien und Provokationen sammelten sich überall Grüppchen der verschiedenen Nationen und posierten für ein gemeinsames Foto.
Je näher man zum Stadion gelangte, um so beeindruckender wurde es. Wahnsinn wieviele Menschen der unterschiedlichen Kulturen sich bereits zwei Stunden vor dem Anstoß auf den Wiesen tummelten. Wahrscheinlich wollten alle, genau wie mein Vater und ich, möglichst viel von dieser einmaligen Atmosphäre mitbekommen. Und so spazierten wir durch die Massen, amüsierten uns über die schrägen ausgefallenen Outfits einiger Fans, und suchten schonmal unsere Plätze im Stadion. Und da waren sie: Osttribüne, Reihe 11, Platz 18 und 19. Was für Traumplätze. So nah dran, vielleicht 10 m vom Spielfeldrand, besser geht es kaum. Und dann auch noch das: im Augenwinkel erblicke ich eine Fahne, die mir doch irgendwie bekannt vorkommt. Richtig, es ist das Wappen meiner Heimatstadt Solingen. Ich bin also nicht der einzige Solinger im Stadion...
Was sich während der 90 Minuten auf dem Spielfeld ereignete, war natürlich sensationell. Der krasse Aussenseiter Ghana geht überraschend mit dem bis dato schnellsten Tor der WM 2006 in Führung, kämpft verbissen gegen stärker werdende Tschechen, und gewinnt am Ende trotz eines verschossenen Elfmeters hochverdient mit 2:0.
Aber noch einen Tick sensationeller war das, was sich auf den Tribünen abspielte. Waren die Tschechen anfangs gesangstechnisch noch deutlich überlegen, kippte die Stimmung im Laufe der Partie. Grund dafür waren die „neutralen“ Fans, die immer mehr mit Ghana sympathisierten. „Steht auf wenn ihr für Ghana seid...,“ schallte es Mitte der zweiten Halbzeit durchs weite Rund. Und locker 70 Prozent erhebten sich von ihren Sitzen, klatschten und sangen, und belohnten so einen toll aufspielenden Underdog. Mit dem Schlusspfiff kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Ghanaer und Deutsche lagen sich in den Armen und tanzten zum allseits beliebten kölschen Hit: „Da simma dabei, daat is priiiima, viiivaaa Colonia...“
Noch auf dem Heimweg hatte ich einen gewaltigen Ohrwurm der aber auch wieder verging. Die Erinnerungen an diesen Tag werde ich aber immer behalten und höchstwahrscheinlich nicht nur meinen Enkelkindern in aller Ausführlichkeit schildern.